Beim ersten Missionsaufenthalt in Wien im Januar 2019 stellte sich heraus, dass die alte Sommersoutane eindeutig zu leicht war. Dennoch liess sich Bruder Clemens davon nicht abhalten: Glaube und menschliche Wärme sind stärker als Kälte.

Mit einer kleinen, leider sehr fotoscheuen Pilgergruppe besuchte er zunächst Schloss Schönbrunn. Das Prunkschloss der äusserst katholischen habsburgischen K&K Dynastie hat nicht nur wunderschöne Innenräume sondern vor allem traumhafte Parkanlagen.

Das Weiss des Marmors der Brunnenfiguren und der Möven, die die zugefrorenen Zierteiche umflogen, bot einen wunderbaren Kontrast zwischen dem Schwarz der Sommersoutane. Leider waren die Möven nicht so leicht zu bändigen, wie die Nymphen.
Glaube und Wahnsinn

Ein besonderes Highlight war der gemeinsame Besuch der katholischen Kirche am Steinhof. Erbaut wurde sie 1904 bis 1907 von Wiens Meisterarchitekten Otto Wagner in seiner späten Jugendstilphase als Anstaltskirche auf dem Gelände der Niederösterreichischen Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke.
Um auf die besonderen Bedürfnissen eines Andachtsorts für psychisch kranke Menschen einzugehen, eruierte er in Gesprächen mit Ärzten und Pflegepersonal die speziellen Anforderungen. So entstand nicht nur ein Arztzimmer und separate
Eingänge für das Pflegepersonal, sondern – wie damals für Kliniken vorgeschrieben – getrennte Eingönge für männliche und weibliche Patienten.
Spezielle Toiletten und Notausgänge wurden eingeplant, die Kirchenstühle haben wegen Verletzungsgefahr keine scharfen Ecken. Auch die hygienischen Aspekte der Taufe wurden berücksichtigt: statt eines gewöhnlichen Weihwasserbeckens gibt es hier eine Variante mit herabtropfendem Weihwasser, um die Gefahr von Infektionen zu verringern.
Den Boden konzipierte er zum Altarraum hin abfallend, damit die Patienten in den hinteren Reihen besser nach vorne sehen konnten. Aus Geldmangel wurden allerdings der Kreuzweg, die Unterkirche für Protestanten und die Synagoge für Juden nicht mehr realisiert.
Am 8. Oktober 1907 wurde die Kirche durch Erzherzog Franz Ferdinand eröffnet. Zwischen dem Erzherzog, der dem Jugendstil nicht sehr zugetan war, und Otto Wagner gab es allerdings schon von Anbeginn gestalterische Meinungsverschiedenheiten, weshalb Wagner in der Eröffnungsrede nicht erwähnt wurde und in weiterer Folge vom Kaiserhaus keine Aufträge mehr bekam.
Diese aus sehr unterschiedlichen Anschauungen über Architektur und Ästhetik entstandene Kluft verleitete die Wiener Neue Freie Presse in ihrer Ausgabe vom 6. Oktober 1907 zur Frage: „Und ist es nicht eine hübsche Ironie des Schicksals, dass so ziemlich das erste vernünftige sezessionistische Gebäude großen Stils in Wien für die Irrsinnigen gebaut worden ist?“.[